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"Du Soldat" (Ты Солдат)- Ein russisches Anti-Kriegslied aus dem Jahr 2025

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Am 15. Oktober 2025 wurde Diana Loginowa ("Naoko") in Petersburg verhaftet, weil sie Anti-Kriegslieder gesungen hat. Zwischen 15. Oktober und 8. November saß Loginowa zusammen mit Band-Mitgliedern in Haft und wurde zwei Mal wegen diverser Vergehen verurteilt. Eine große Solidaritätswelle hat St. Petersburg und Moskau ergriffen. SPIEGEL und andere westliche Presseorgane berichteten ausführlich. Als Diskreditierung der russischen Armee wurde insbesondere das Lied "Du Soldat" vom Gericht gewertet. Am 28. Oktober 2025 wurde sie wegen der Aufführung dieses Liedes zu einer Zahlung von 30.000 Rubel (ca. 300 Euro) verurteilt.

Zu diesem gut singbaren Lied soll im Folgenden Unterrichtsmaterial vorgelegt werden. Weitere Anti-Kriegslieder aus dem Repertoire von Diana Loginowa sind im Internet hier zu finden.

Das Lied

von Youtube-Short Strassenauftritt in St. Petersburg am 11.10.2025.

Liedtext

Deutsche Übersetzung nach der taz vom 2.11.2025.

Ты солдат, а я поэт
Ты солдат, я вижу по глазам, что ты бывал там.
Ты пахнешь кровью, ты один сплошной шрам.
Ты свищешь ветром по степи, и леденей людей, наверное, не найти.
Ты солдат, и я хотела б залатать твои швы,
Больное сердце починить и зашить,
Но въелся намертво металл, ты слишком многое, наверное, повидал.
Ты солдат, и на какой бы ты не бился войне,
Прости, я буду на другой стороне,
Прости, я буду на другой стороне.
Плачет зверь, прячет сердце в доспех. Ты теперь
Самый грустный из всех на земле, самый грустный из всех на земле.
Ты солдат, и ты так пьян, что тебя скоро стошнит.
Косые взгляды давно не страшны.
Они смеялись, пока ты
Глотал холодный пот и нюхал серый дым.
Ты солдат, боюсь в глаза тебе подолгу смотреть.
Там ходит черная-пречерная смерть.
Ты тоже прячешь их в ответ,
И мы молчим, ведь ты солдат, а я поэт.
Du bist Soldat, und ich bin Dichterin
Du bist Soldat, ich sehe an deinen Augen, dass du dort warst.
Du riechst nach Blut, du bist eine einzige Narbe.
Du pfeifst wie der Wind über die Steppe, und Menschen, die nicht frieren, gibt es wohl nicht.
Du bist Soldat, und ich würde gerne deine Nähte flicken,
Dein krankes Herz ausbessern und zunähen,
Aber das Metall hat sich fest eingefressen, du hast wahrscheinlich zu viel gesehen.
Du bist Soldat, und egal in welchem Krieg du kämpfst,
Verzeih mir, ich werde auf der anderen Seite sein,
Verzeih mir, ich werde auf der anderen Seite sein.
Das Tier weint und versteckt sein Herz in seiner Rüstung. Du bist jetzt
der traurigste Mensch auf Erden, der traurigste Mensch auf Erden.
Du bist Soldat und so betrunken, dass dir gleich übel wird.
Schräge Blicke machen dir schon lange keine Angst mehr.
Sie lachten, während du kalten Schweiß schlucktest und grauen Rauch rochst.
Du bist Soldat, ich habe Angst, dir lange in die Augen zu schauen.
Dort wandelt der stockfinstere Tod.
Auch du versteckst sie als Antwort,
und wir schweigen, denn du bist Soldat, und ich bin Dichterin.

Melodie (deutsche Textierung noch in Bearbeitung!)


Kriminalisierung des Liedes - Dokumente

Aus "Moskauer Deutsche Zeitung" vom 18.10.2025 (Internetquelle)

Wer ist Naoko?
Unter diesem Künstlernamen tritt die Sängerin Diana Loginowa auf den Straßen von St. Petersburg auf. Die 18-jährige Musikerin ist Sängerin der Band „Stoptime“, zu der auch der Gitarrist Alexander Orlow und der Schlagzeuger Wladislaw Leontjew gehören. Seit dem Frühjahr 2025 trat die Band fast täglich auf. Die Orte und Zeiten dieser Auftritte vor Publikum kündigten die Musiker auf Telegram an. Bis zum Ende des Sommers 2025 hatte ihr Kanal mehrere tausend Abonnenten erreicht.
Warum wurde sie festgenommen?
Das Repertoire der Band ist insgesamt recht umfangreich, aber einen bedeutenden Platz darin nehmen Coverversionen von Songs bekannter Musiker ein, die in Russland als ausländische Agenten eingestuft sind. Dazu gehören beispielsweise die Sängerin Monetotschka* und Noize MC*. Dabei sind nicht alle Tracks von Autoren mit dem Status „ausländischer Agent“ unbedingt Protestsongs. Der Auftritt von „Stoptime“ am 11. Oktober führte jedoch zur Festnahme der Band. Unter anderem spielten die Musiker das bekannte Stück „Genossenschaft Schwanensee“ von Noize MC*, das im Mai dieses Jahres gerichtlich verboten worden war. Das Gericht entschied, dass das Lied „Äußerungen enthalten könnte, die gewaltsame Veränderungen der Grundlagen der Verfassungsordnung propagieren“. Tatsache ist, dass Tschaikowskis Ballett „Schwanensee“ eine besondere Bedeutung hat, wenn es um Politik geht: Während des Putsches 1991 wurde dieses Ballett auf allen sowjetischen Fernsehsendern ausgestrahlt.
Wie werden die Musiker bestraft?
Am 15. Oktober wurde Naoko wegen der „Organisation einer Massenveranstaltung ohne Genehmigung der Stadtverwaltung“ verhaftet. Dies ist ein Verwaltungsdelikt. Die Haftstrafe für die Sängerin beträgt 13 Tage. Eine ähnliche Strafe erhielt der Schlagzeuger der Band, während der Gitarrist 12 Tage in Haft verbringen wird. Dabei sieht die städtische Gesetzgebung für Verstöße gegen die Vorschriften für Straßenmusiker eine Strafe von bis zu 5000 Rubel vor. Aber hier handelt es sich um einen anderen Fall. Die Fotos der zierlichen jungen Frau in Handschellen verbreiteten sich rasend schnell in den sozialen Netzwerken. Ein trauriges Bild. Noch trauriger ist jedoch die Perspektive: Während Diana Loginowas 13-tägiger Haft wurden zwei weitere Protokolle gegen sie wegen „Diskreditierung der russischen Armee“ erstellt. [Hierbei ist vor allem das Lied "Du Soldat" gemeint.] Dies könnte zur Einleitung eines Strafverfahrens führen. Im April 2025 wurden die Strafen für die Diskreditierung der russischen Streitkräfte verschärft. Jetzt tritt die strafrechtliche Verantwortung nicht erst bei „wiederholter Diskreditierung“ ein, sondern bereits beim ersten Mal. Und das bedeutet eine Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren.
Wie reagieren die Menschen auf die Verhaftung der Musiker?
Natürlich sind diejenigen, die Denunziationen gegen die jungen Musiker verfasst haben, mit den aktuellen Ereignissen vollkommen zufrieden oder fordern noch härtere Maßnahmen. An Anzeigen mangelte es nicht. Dies taten der wenig bekannte 28-jährige Rapper Michail Nikolajew sowie der Abgeordnete der Staatsduma Michail Romanow. Aufrufe zu Repressionen gegen die Band verbreiteten Marina Achmedowa, Mitglied des Menschenrechtsrats beim Präsidenten, und der ultrarechte Blogger Wladislaw Posdnjakow. Es gab jedoch auch andere Reaktionen. Junge Musiker gingen in russischen Städten auf die Straße, um ihre inhaftierten Kollegen zu unterstützen. D ie Unterstützung von „Stoptime“ kostete den Straßenmusiker Jewgeni Michailow aus Jekaterinburg seine Freiheit. Er wurde festgenommen.
Was bleibt unterm Strich?
In Russland gibt es Menschen, vor allem junge, die nicht im Chor singen und im Gleichschritt marschieren wollen. Sie haben andere Lieder. Der Staat hält sie für gefährlich. Sie sind noch gefährlicher als das unsterbliche Ballett von Pjotr Tschaikowski. Und sie werden sicher nicht im Fernsehen gezeigt.

Äußerung der Sängerin Naoko auf Telegram (t.me/rotondamedia/7760)

Zwei Anzeigen gegen Sängerin Naoko wegen Verunglimpfung der Armee erstattet
Diana Loginova (Naoko), Sängerin der Straßenband „Stoptime“, wurde wegen zweier Verstöße gegen Artikel 20.3.3 des russischen Ordnungswidrigkeitengesetzes (CAO) angeklagt, wie Angehörige der jungen Frau gegenüber Rotonda mitteilten. Die Anzeigen erfolgten aufgrund der pazifistischen Lieder „You’re a Soldier“ von Monetochka* und „Bright Stripe“ von Noize MC*, die Stoptime am 26. September und 11. Oktober bei Straßenkonzerten aufführte. Aufnahmen der Auftritte wurden in sozialen Medien und in Medien der Exilgemeinde veröffentlicht. Laut der Quelle ist von den drei Bandmitgliedern nur Loginova wegen Verunglimpfung der Armee angezeigt worden.
Gemäß Artikel 280.3 des russischen Strafgesetzbuches („Wiederholte Rufschädigung der Armee“) kann ein solches Verfahren eingeleitet werden, wenn eine Person innerhalb eines Jahres nach einer ersten Ordnungswidrigkeit ein zweites Mal Handlungen begeht, die die Armee schädigen. Dieser Artikel sieht eine Geldstrafe von 100.000 bis 300.000 Rubel oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor.
Diana Loginova ist 18 Jahre alt. Sie studiert am Rimski-Korsakow-Musikkolleg und singt in der Band „Stoptime“. Die Band spielt unter anderem Lieder ausländischer Agenten, was zunächst die Aufmerksamkeit der Oppositionsmedien auf sich zog. Am Vortag wurden die Sängerin und der Schlagzeuger gemäß Artikel 20.2.2 des russischen Ordnungswidrigkeitengesetzes („Organisation einer Massenversammlung von Bürgern, die zu einer Störung der öffentlichen Ordnung führte“) für 13 Tage inhaftiert, der Gitarrist für 12 Tage.
Als ausländische Agenten eingestuft UPDATE:
Die Informationen zur strafrechtlichen Verfolgung in diesem Fall wurden korrigiert. Die Redaktion von „Rotunda“ entschuldigt sich bei den Lesern für die fehlerhafte Darstellung der Ereignisse. Die Sängerin Monetochka rief ihre Zuhörer in Russland dazu auf, „ihre Sicherheit an erste Stelle zu setzen“ und gab bekannt, dass bereits eine linguistische Analyse ihres unveröffentlichten Liedes „Du bist Soldat“ durchgeführt wurde: „Es hat sich herausgestellt, dass die Behörden bereits eine linguistische Analyse des unveröffentlichten Liedes Du bist Soldat erhalten haben.“ Das Repertoire der Straßenmusiker der Band „Stoptime“, die gestern von einem Gericht in St. Petersburg zu 13 Tagen Haft verurteilt wurden, umfasst das Lied „You’re a Soldier“. Darin heißt es: „Du bist ein Soldat, und egal welchen Krieg du führst, es tut mir leid, ich werde auf der anderen Seite stehen.“

Äußerung der Liedermacherin Monetochka auf Telegram (t.me/varlamov_news/65123)

Monetotschka (russisch Монеточка, bürgerlich Jelisaweta Andrejewna Gyrdymowa)
... ist Autorin des (im Oktober 2025) noch nicht veröffentlichten Liedes Du Soldat, das sie im Heimstudio aufgenommen hat.
Unmittelbar nach Beginn des Russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 verließ sie Russland zusammen mit ihrem Ehemann und lebte zunächst in Lettland (Riga) und später in Litauen. In Interviews sagte sie mehrfach, dass es in Russland keine Meinungsfreiheit gebe und sie sich dort nicht als kreative Person entfalten könne. Im selben Jahr war sie mit Noize MC in der Tschechischen Republik, Deutschland, Lettland, Litauen und Polen auf der Tournee „Voices of Peace“, um gegen den Krieg zu demonstrieren. Dabei haben sie für wohltätige Zwecke zugunsten von Flüchtlingen 340.000 € gesammelt.
Im Januar 2023 setzte das Justizministerium der Russischen Föderation sie auf die Liste ausländischer Agenten. Die Begründungen dafür waren, sie habe Unterstützung von ausländischen Quellen bekommen, sich gegen den Krieg ausgesprochen, Geldmittel gesammelt, um einem unfreundlichen Land, der Ukraine, zu helfen, und weil sie außerhalb Russlands lebt.

Die Sängerin Monetochka äußerte sich zur Verhaftung der Stoptime-Musiker Naoko, die ihre Lieder in St. Petersburg aufgeführt hatten, und sagte, sie sei „betroffen und besorgt um diese jungen Menschen“. „Sie versammeln Hunderte von Menschen um sich und bringen Musik und Freiheit in die Welt, nicht Gewalt und Krieg, und das sollte kein Verbrechen sein“, schrieb sie.
In ihren Instagram-Stories sagte Monetochka außerdem, dass sie sich zunehmend Sorgen um ihre Zuhörer in Russland mache und bat sie, „Sicherheit an erste Stelle zu setzen“. „Ihr seid der Welt lieb, mir lieb, und ich möchte nicht, dass irgendjemand von euch Opfer dieser grausamen, ungerechten Zeit wird. Ich weiß, wie schwer es jetzt für euch ist, und ich danke euch, dass ihr auf euer Herz und euren Verstand achtet“. Und diejenigen, die nichts fürchten, die so laut singen und so trotzig hell strahlen – ihr seid Helden. Und niemand ist cooler als ihr. Ich könnte das nicht.
Die Sängerin sagt außerdem, dass ein weiterer Grund zur Sorge um die Zuhörer in Russland darin bestehe, dass „die Behörden bereits eine linguistische Analyse des noch unveröffentlichten Liedes You’re a Soldier" durchgeführt hätten.

Die Band Stoptime, die auf den Straßen von St. Petersburg auftritt, erlangte Bekanntheit durch die Aufführung von Liedern ausländischer Künstler, darunter Monetochka. Am 15. Oktober wurde die Sängerin der Band, die unter dem Künstlernamen Naoko auftritt, von der Polizei festgenommen. Sie verbrachte die Nacht auf der Polizeiwache und wurde anschließend von einem Gericht zu 13 Tagen Haft verurteilt. Wegen der Organisation einer illegalen Kundgebung wurde die Band in Verwaltungshaft genommen. Auch die Musiker der Band wurden in Verwaltungshaft genommen.

Nachwirkung (Stand 5.11.2025)

Überraschende Solidarität nach Festnahme Internetquelle (SPIEGEL)

In Moskau und weiteren Regionen Russland protestieren Menschen gegen die Festnahme der Band »Stoptime«: Sie spielen verbotene Songs und riskieren, selbst inhaftiert zu werden. Nach der Festnahme der Straßenband »Stoptime« im russischen Sankt Petersburg zeigt sich die Zivilgesellschaft unerwartet solidarisch. In den vergangenen Wochen kam es zu mindestens zehn Protestaktionen in Moskau und weiteren Regionen.

Proteste in Moskau und Sankt Petersburg

Am 25. Oktober versammelten sich rund 100 Menschen vor dem Präsidialamt in Moskau, in Sankt Petersburg tauchten Unterstützungsplakate auf. In vier Städten spielten Straßenmusiker als Zeichen der Solidarität Songs von »Stoptime« und anderen »Agenten«; mehrere Unterstützer wurden festgenommen und zu Kurzzeithaft verurteilt. Zudem kam es zu einzelnen, weiterhin legalen Ein-Personen-Protesten.
Der 18-jährige Jurastudent Wasilij Krasnow etwa demonstrierte in Moskau mit dem Plakat »Freiheit für Straßenmusiker! Die Macht erstickt die Kunst!«. Er wurde zwar aus einem Park gedrängt, aber nicht festgenommen. Krasnow kritisiert die Vorwürfe gegenüber dem SPIEGEL als »absurd«: In der Anklage werde der Song »Swetlaja Polosa« genannt, der weder Armee noch Krieg erwähnt. Dennoch gelte er als Armee-»Diskreditierung«, weil ein Ukrainer berichtet habe, das Lied während eines Drohnenangriffs auf Kyjiw gehört zu haben. Der Jurastudent zeigte sich erschrocken darüber, wie leicht in Russland Gründe für jahrelange Haftstrafen gefunden werden können. »Das sind Musiker, keine politischen Aktivisten. Man darf die Lieder der ›Ausländischen Agenten‹ nicht öffentlich spielen. Die Gefahr war ihnen nicht bewusst«, sagte er.
Die Festnahme der Musiker könnte in Russland also weitere Kreise ziehen: Ein hartes Urteil könne die bereits spürbare Unzufriedenheit verstärken – oder weitere Teile der Gesellschaft einschüchtern. Derzeit bleiben alle drei Musiker in Haft. Nachdem sie erste Strafen verbüßt hatten, wurden sie erneut festgenommen und zu weiteren Wochen Haft verurteilt. Diese »Karussell-Arreste« sind eine in Russland übliche Praxis. Sie dienen dazu, Menschen monatelang ohne Strafverfahren in Haft zu halten.